Die römische Rheintalstraße
bei Guntersblum
In Guntersblum wurden während der Flurbereinigung im Jahr 1987 zusammen mit zwei Steinkellern in der Gemarkung "Eiserne Hand" die Überreste einer Römerstraße entdeckt. 2009 wurde das Teilstück freigelegt und an den jährlich stattfindenden Römertagen durch den Kulturverein Guntersblum der Öffentlichkeit präsentiert, bevor es aus konservatorischen Gründen 2021 wieder zugeschüttet wurde.
Das Straßenstück ist etwa 30 Meter lang und 4 Meter breit und die archäologischen Schichten liegen in einer Tiefe von 1 Meter. Bereits in der Antike begann man die Steine der Straße als Baumaterial zu nutzen. So fehlt heute die Deckschicht, aber die zweite Schicht mit Steinlagen ist erhalten. Die sichtbaren Abdrücke von Wagen- oder Karrenspuren in der Steinschicht belegen eine starke Benutzung. Der Straßenabschnitt war Bestandteil der Rheintalstraße, die direkte Verbindung von Italien zum Rhein. Die Straße führte vom Großen-Sankt-Bernhard-Pass über die Schweiz nach Straßburg und von dort über Speyer, Worms und Guntersblum nach Mainz und schließlich nach Köln. Diese Straße entstand spätestens in augusteischer Zeit (Augustus römischer Kaiser 31 v. Chr. bis 14 n. Chr.), als auch das Lager in Mainz errichtet wurde.
Für die Straße in Guntersblum ist nur für den östlichen Teil ein Straßengraben nachweisbar. Dieser ist durch Bordsteine von der Straße abgetrennt.
Der römische Straßenbau orientierte sich am Verlauf der Flüsse. Man legte Wege entlang ihrer Niederterrassen an. Möglicherweise orientierte man sich mancherorts auch an keltischen Wegen. An den Straßen befanden sich Raststationen zum Wechseln der Pferde der Kuriere und zur Versorgung der zahlreichen Reisenden. Übernachtung und Verpflegung wurden angeboten. In Guntersblum wurde westlich der Straße ein Erdkeller angeschnitten, in dem auch Keramikreste gefunden wurden.
1. Verkehr und Wirtschaft im römischen Rheinhessen
Rheinhessen wurde von römischen Truppen im Verlauf des Alpenfeldzuges zur Regierungszeit von Kaiser Augustus besetzt. Dies geschah im letzten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts vor Christus. Die Eroberung war etwa 12 nach Christus abgeschlossen nach Errichtung des Mainzer Kastells auf dem Kästrich (heutige Kupferbergterrassen).
Zum römischen Heer gehörten Landvermesser, die ihre Arbeit für die Planung und den Bau von befestigten Militär- und späteren Wirtschaftsstraßen einsetzten.
Der römische Straßenbau orientierte sich am Verlauf der Flüsse wie Rhein, Main, Nahe und Neckar, die schiffbar waren. Entlang ihrer durch Hochwasser aufgeschobenen Niederterrassen legte man die Straßen an, die sich möglicherweise auch an älteren keltischen Wegen orientierten.
Der Guntersblumer Straßenabschnitt war Bestandteil der Rheintalstraße. die direkte Verbindung von Italien über die Alpen und durch die Schweiz bis ins Rheinhessische. Diese Straße führte vom St. Bernhard Pass über die Schweiz nach Straßburg und von Speyer und Worms über Guntersblum nach Mainz und Köln.
Rheinland-Pfalz und ein Teil des angrenzenden Nordrhein-Westfalen waren in römischer Zeit aufgeteilt in die Provinzen Obergermanien mit dem Verwaltungssitz Mainz und in Untergermanien mit dem Hauptsitz Köln.
Neben den Legionslagern Speyer, Worms, Mainz und Bingen war das Umland von einem Netz römischer Hofgüter (villa rustica) überzogen, heutigen Aussiedlerhöfen vergleichbar. An den Straßen befanden sich Raststationen zum Pferdewechseln der Kuriere und zur Versorgung der zahlreichen Reisenden zu Fuß, zu Pferd oder im Reisewagen. Übernachtung und Verpflegung wurden angeboten. Nahegelegene Gutshöfe verkauften ihre Güter an die Reisenden und betrieben wohl auch die Raststationen.
2. Straßen
Es gab öffentliche und private Haupt- und Nebenstraßen, die von Baueinheiten instand gehalten wurden. Im Aufbau sind diese mehrschichtig und erreichen eine Stärke von 1 m und eine Breite von 6 m. Zur Stabilität wurden die einzelnen Bauschichten mit Mörtel verdichtet.
3. Aufbau des Straßenkörpers von unten nach oben
1. Ein grob geschichteter Steinsatz, manchmal mit Mörtel gebunden, das „statumen“.
2. Es folgt eine mörtellose geschichtete Steinlage oder eine mit Mörtel gemischte Kiesschicht.
3. Anschließend eine Schicht aus groben Kieseln, Steinen, gelegentlich auch Schutt, das „ruderatio“.
4.Darüber als letztes der Deckbelag aus Sand und Kies, die „summa glarea“. Dieser wurde regelmäßig erneuert.
Dieser Straßenkörper war wegen der Oberflächenentwässerung leicht gewölbt und er wies beidseitig Straßengräben auf. Die Straße war zweispurig und verfügte in festen Abständen über Meilensteine. In einzelnen Fällen wurde sie von Fußgängerwegen flankiert. In Städten bestand der oberste Deckbelag aus Steinplatten.
4. "Reiseführer" und „Hinweisschilder"
Zur Orientierung der Reisenden gab es Handbücher, sowohl reine Textbücher als auch in gezeichneter Form mit Orten und Stationen und den Entfernungsangaben. Ein Handbuch in Form einer Reisekarte ist die „Tabula Peutingereriana“, eine Weltkarte des Reiches aus dem 4. Jahrhundert nach Christus. Schematisch eingetragen sind alle wichtigen Straßen und Entfernungen zwischen größeren Orten und Städten, ferner Flussläufe und Meeresküsten. Meilensteine in Gestalt von gravierten Steinsäulen lieferten den Reisenden Streckenangaben vom Hauptort der jeweiligen Region ausgehend. Während des 1. und 2. nachchristlichen Jahrhunderts wurden die Strecken in römischen Meilen (1,48 km) gemessen, ab dem 3. Jahrhundert in Leugen (2,2 km), einem gallischen Streckenmaß.
5. Transportwesen
Auf den Straßen herrschte wie heute reger Verkehr. Man reiste zu Fuß, mit dem Pferd oder dem Maulesel, wobei Esel oft als Lasttiere eingesetzt wurden. Fahrzeuge wurden ebenfalls für den Lasten- und den Personentransport eingesetzt. Dazu gehörten zwei- und vierrädrige Wagen, gezogen von Ochsen oder Pferden und Reisewagen für den Personentransport.
6. Guntersblum
Der Abschnitt der Römerstraße von Guntersblum wurde 1987 zusammen mit zwei Steinkellern während der Flurbereinigung entdeckt. 2007 wurde das Teilstück erneut freigelegt und wird seitdem untersucht und an den jährlich stattfindenden Römertagen der Öffentlichkeit präsentiert. Es ist etwa 30m lang und 4m breit und die archäologischen Schichten liegen in einer Tiefe von 1m. Trotz des antiken Steinraubes weist die Straße eine Breite von 6 m auf. Sie stellt ein Teilstück der römischen Rheintalstraße dar. Die Deckschicht fehlt, aber die zweite Schicht mit Steinlagen ist erhalten. Die Abdrücke von Wagen- oder Karrenspuren in der Steinschicht belegen eine starke Benutzung des Straßenabschnittes.
Aufgrund ihres Gefälles von Westen nach Osten verfügt die Straße nur über einen tiefergelegenen Straßengraben am Ostrand der Fläche, getrennt durch in Mörtel gesetzte Bordsteine. Oberhalb und somit westlich der Straße schließt sich ein großer Erdkeller an, der zum Teil noch unter dem Grabungsabraum liegt. Dem Keller nordöstlich vorgelagert sind drei große, in Reihe angebrachte Holzpfosten von einer Seitenlänge von 20 cm, die ein Dach getragen haben könnten.
Vorstellbar wäre ein über dem Keller errichteter Fachwerkbau mit Vordach, eine mögliche Raststätte, sehr nahe der Straße gelegen und auf diese rechtwinklig ausgerichtet. An der möglichen Schmalseite des Kellers wurde in einer gesondert angelegten Grube direkt vor der Kellerkante ein Hund beigesetzt. Ein Bauopfer wäre eine plausible Deutung des Befundes.
Am nördlichen Grabungsrand wurden zwei große Abfallgruben freigelegt. Der Keller und die Abfallgruben enthielten sehr viel Keramik, darunter zahlreiche Reste von Gebrauchskeramik wie Reibeschalen und Henkelkrüge, aber auch sehr viele Fragmente von reliefverzierter und unverzierter Terra Sigillata, meist von hoher Qualität.
Darüber hinaus wurden Spielkugeln, eine Tonperle, viele Eisennägel und eine Hülsenspiralfibel vom Typ Langton-Down entdeckt. Durch den Datierungszeitraum von 50 vor Christus bis 50 nach Christus könnte das Gebäude noch in die späte Latènezeit datiert werden. Die römische Keramik ist noch nicht untersucht. Sie könnte aufgrund ihrer Qualität ins 1. und 2. nachchristliche Jahrhundert gehören.
In unmittelbarer Umgebung der Straße wurden bei der Flurbereinigung zwei gemauerte Steinkeller von etwa 2,50 m x 2 m Größe freigeschoben. Ein Keller liegt, heute unter einem Weinberg verborgen, nur 100 m südwestlich der Straße und wurde 1987 auf ein Amateurvideo gebannt. Der zweite Keller lag etwa 500 m westlich der Straße direkt vor der Hangkante des aufsteigenden Hügellandes und wurde vom Landesamt für Denkmalpflege durch Gerhard Antony ausgegraben. Im Inneren fanden sich zwei unversehrte Henkelkrüge. Zwei Fotos des Kellers finden sich im ersten Band der Chronik von Guntersblum.
Beide Keller gehörten wohl zu Wohnbauten zweier römischer Gutshäuser mit weiteren Wirtschaftsgebäuden, die das Gelände in der Flur „Eiserne Hand" bewirtschafteten und ihre Produkte an der Römerstraße feilboten. Der bereits erwähnte Fachwerkbau mit dem Erdkeller könnte zu einem keltischen Bauernhof gehört haben, der in römischer Zeit fortbestand.