Ausstellung Textil

24. Mai bis 30. August 2015

 

Wenn eine Ausstellung sich mit dem Titel „Textil“ präsentiert, werden Voreingenommene weiblich Strukturiertes erwarten. Die Vielfältigkeit des Themas kehrt jedoch Voreingenommenheit um. Dem Kulturverein Guntersblum ist einmal mehr eine Schau von beachtlicher Vielfältigkeit gelungen.

Der Einstieg in die Ausstellung führt zunächst über eine Zusammenfassung der Textilgeschichte und der Besucher erfährt: „Anfangs waren Felle und Leder, Haare, Pflanzenfasern und Bast. Als textile Materialien sind seit dem Altertum Wolle und Leinen gebräuchlich. Seide, bei den Chinesen längst bekannt, wurde erst im 14. Jahrhundert auch in Italien hergestellt und war neben dem Samt das bevorzugte Material der Renaissance und des Barock.

Bereits 4000 v. Chr. war der grundsätzliche Webvorgang entwickelt und in der Spätbronzezeit wurden bereits komplizierte Bindungen gewoben“. Eine Darstellung der sich fortentwickelnden Webtechnik leitet über zu Gerätschaften aus früheren Zeiten – einer Flachsbreche und einem Spinnrad aus dem 19.Jahrhundert. Wer weiß schon, dass Flachs und andere Faserpflanzen in der Regel so aufgebaut sind, dass ein hohler Holzkern die Faserstränge des Bastgewebes umgibt und um die Fasern nutzen zu können, das Holz zuerst zerkleinert – also „gebrochen“ und gelockert und dann entfernt werden muss? Das Spinnrad, mit dem die Fasern, die der weiteren Verarbeitung, bspw. dem Stricken und Weben dienen, versponnen wurden, gehörte bis Anfang des 20. Jahrhunderts fast in jedes Haus.

Ein Wäscheschrank voller Leinenwäsche, beides aus dem 19. Jahrhundert, eine Aussteuertruhe von 1737 und textile Wandbehänge setzen die Exponatenreihe der Ausstellung fort und erinnern an längst Vergangenes. Nähkästchen, Nadelkissen, Monogrammschablonen, Stickmuster und Werkzeuge von Schneiderin und Schneider, wie ein wuchtig wirkendes Kohlebügeleisen mit Schlot, eine mit verschiedenen Hölzern und Elfenbein eingelegte Elle und die mit Namenszug der einstigen Besitzerin versehene Schneiderinnenschere, dokumentieren eine Zeit, in der neben dem Pragmatischen die liebreizende Gestaltung gleichwertig war.

Ein elegant gekleideter Herr mit Frack und Zylinder, einem Brusthemd, Seidenkrawatte, Kragen und Manschetten aus der Zeit, das maßgeschneiderte Hochzeitskleid, ein Kopftuch in Filethäkelei, handgestrickte Handschuhe mit eingearbeiteten Perlen, der Wollmuff mit passendem Kragen und ein Halskragen mit Perlenstickerei vermitteln die Eleganz des 19. Jahrhunderts. Das veranschaulichen auch die beiden Sonnenschirme aus Seide, von denen der eine mit einem zusammenklappbaren Griff aus Bein ausgestattet ist. Der neuwertige, noch mit den originalen Etiketten versehene Damenmantel aus den 50igern und andere Kleidungsstücke, manche aus den 30iger Jahren, wirken gegen die Eleganz des 19. Jahrhunderts dagegen schlicht.

Dass Textilien nicht nur menschlicher Bekleidung dienen, belegen die mit Seidenstoff ausgestatteten Etuis von Zigarettenspitzen aus den 30igern, eine Teepuppe mit Seidenkleid, deren Warmhaltefunktion wohl ebenfalls den 30er Jahren zuzuordnen ist, und die Instrumentenkoffer zweier Konzertzithern aus dem 19. Jahrhundert, sowie die zahlreichen Handarbeiten der verschiedensten Häkeltechniken und Stickereien und das Wandbild einer Gobelinstickerei aus dem Jahre 1780.

Beeindruckend sind auch die Exponate der Paramentenwerkstatt Elisabethenstift Darmstadt, die Kelch- und Altarkleider in verschiedenen Techniken als Leihgaben zur Verfügung stellt.

Die mit aufwändiger Brokatstickerei hergestellten Vereinsstandarten aus dem 19. Jahrhundert und aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, seidene Teppiche verschiedener Provinzen, sowie die Stoffeinbände von Büchern belegen die Vielfalt der textilen Verwendung. Modekataloge der 50er Jahre, Modestiche aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und eine zeitgenössische Fingerhütesammlung flankieren ebenso das Thema, wie die einst zur Reinigung bestimmten Hilfsmittel, darunter eine der ersten motorisierten Waschmaschinen aus den 30iger Jahren.

Das Ende der Ausstellung ziert eine Schwarzlichtinstallation im „Weinkellerverlies“. Bunte, reflektierende Wollfäden zeigen das Bild eines Fächers von der Textilkünstlerin Marie Luise Frey, die derzeit auch in der Oppenheimer Katharinenkirche mit ihrer Installation „Feuersäule“ präsent ist.

Zuletzt bleibt ein Kompliment an den Kulturverein der mit seiner Ausstellung belegt: Textil in nicht gleich Stoff – es gibt Werke die aus Textilien sind und solche die Textilien zeigen.


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