Nachruf von Achim Schiff auf

Reiner Schmitt

Donnerstag, 17. September 2015

 

Schrecklich.

Nachruf

Liebe Angehörige, Freunde,

mir verschlägt es die Sprache. Möchte Sätze schreiben, die sich nicht mit einem Satz sagen lassen. – Hilflos, aber auch etwas stolz: da lähmt mich wahrhaftig Trauer, weil ich Reiners solidarischen Eigensinn schätzte, ja liebte. – Wir trafen uns inhaltlich meist im Schulterschluss, konnten der Sache wegen aber auch streiten. Ehrlicher Kontakt ist immer auch fruchtbarer Konflikt.

Reiner gab der oft undankbaren Aufgabe „ehrenamtlicher Bürgermeister“ konkreten, für jeden spür- und erlebbaren Sinn. Niemals Macht lüstern, eher dank natürlicher Autorität realisierte er mit anderen Träume. Ich entsinne mich genau, als der zunächst skeptische Landrat Claus Schick eingestehen musste, Guntersblum habe sein Museum und Kulturhaus gestemmt, obgleich VG wie Kreis dies lange für unmöglich erachteten. Die offizielle Weihe des weit über Ortsgrenzen bekannten Heims für Geschichte, Kunst und Musik sammelte so erst Ehrengäste, als der Kulturkeller und die Ausstellungsräume längst pulsierten.

Als die Vorzeig-Grüne Claudia Roth den ersten, in Direktwahl zum Bürgermeister gekürten Parteifreund beglückwünschte, war ich als einziger Pressevertreter zugegen. Reiner schmunzelte, als er das Goldene Buch der Gemeinde aufschlug, denn die eher „linke“ Demokratin aus Berlin angereist, musste sich hinter ehemaligen Weinköniginnen platzieren. – „Alles Frauen.“, frotzelte ich. – Wir lachten, stießen mit Fray-Wein an. Dann hatte Reiner schon wieder zu tun. Er überließ es mir, Claudia Roth, die wirklich neugierig war, etwas von Guntersblum und seiner rebbestockten Umland zu zeigen. Ich fühlte mich nicht vor seinen Karren gespannt, sondern erfuhr Vertrauen.

Was mich im Augenblick am meisten berührt: letzte Wortwechsel vorm fast leerem Gemeindehaus, wo Lichtbilder „Danielas Afrika“ dokumentierten. Ich diente als Ausstellungswart. Reiner freute sich auf Heideland und die Künstlerkolonie Worpswede, auf belebt-stillen Urlaub mit seiner Frau. – Und für mich völlig verblüffend ergänzte: „Ich möchte bald kürzer treten. Im Amt wie im Kulturverein.“ – Begeistert pflichtete ich ihm bei.

Und jetzt dieser „überraschende“ Tod. Unvermeidbar für uns alle. Sicher einzig.

Meine Güte. Wie sehr hätte ich Reiner privat mehr Freizeit gewünscht. Es kam anders.

Wenn die Lokalzeitung die Idee einer Rheinbrücke für sein politisches Vermächtnis feiert, so mag ich vielmehr an sein menschliches Erbgut mahnen. – Reiner, aus gesundheitlichen Gründen im Vorruhestand, arbeitete und wirkte weiter. Vielleicht sogar glücklicher als im Beruf. Uneigennützig im Gemeinwesen. – Kultur fördernd.

Reiner baute bereits mannigfach Brücken. Über Parteigrenzen. Von Alt zu jung. Vom Gestern zum Heute. Zwischen arm und reich. Von Kunst zum Alltag. – Und so weiter.

Ich hoffe und bete, dass es uns Überlebenden gelingt, sein Wirken weiter zu „machen“. Die aktivste Form, sich zu erinnern an den liebenswerten Querdenker und Aktivisten wäre in seinem Sinne weiter gestalten.

Hierzu wünsche ich uns allen viel Kraft. – Und der Familie, die über den Alltagshelden ja auch den Mann, Vater, Opa und Herzensmenschen verloren, vermag ich bloß stumm die Hand reichen.

Dankbar, ihm begegnet zu sein. Getroffen wortlos.

A